Rechtsanwalt / Fachanwalt für Verwaltungsrecht Rolf Neumann, Bochum / Bottrop
Jedermann, der berufen ist, Geheimnisse zu erfahren, ist auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen, die nicht zu letzt auf den Regelungen des Grundgesetzes fußen, z.B Art 2 GG, dazu verpflichtet, diese Geheimnisse nicht Dritten gegenüber zu offenbaren.
Diese Verpflichtung ist unterstrichen dadurch, dass es zu einer strafrechtlichen Ahndung kommt, wenn der Berufene dagegen verstößt und der Verletzte einen Strafantrag bei den Ermittlungsbehörden stellt, § 203 StGB.
Als Strafe ist gesetzlich angeordnet: ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Privatgeheimnisse sind alle geheimen fremden Informationen, die der Berufene über die Per-son erfährt, mit der er beruflichen Umgang hat, wegen derer die Person ein Interesse an der Geheimhaltung hat.
Bei Ärzten und Zahnärzten handelt es sich naturgemäß über die Informationen über die körperlichen Gebrechen und Befindlichkeiten der Patienten, die ggf. auch nach ausführlicher Anamnese durch den Berufenen oder die Auswertung der Anamnese anderer Berufener ermittelt worden sind.
Denn insbesondere Krankheitsinformationen gehören zum persönlichen Lebensbereich der Patienten.
Bereits allein der Besuch des Verpflichteten und die Behandlung durch denselben kann ein Geheimnis sein, wenn der Berechtigte ein Interesse an dessen Geheimhaltung hat, so z.B. bei dem Besuch eines bekanntermaßen auf Geschlechtskrankheiten spezialisierten Arztes oder eines Arztes, der, wie allgemein bekannt, ausschließlich Schönheitsoperationen an den Brüsten vornimmt. Denn allein der Besuch des jeweiligen Behandlers kann bereits im Interesse des Berechtigten als Geheimnis eingeordnet werden müssen.
Nicht geheim sind offenkundige Informationen, also Tatsachen, die allgemein bekannt oder leicht feststellbar sind (z.B. die Krankenversicherungsgesellschaft des Patienten, die auch beim Arbeitgeber gespeichert ist, einschließlich der Versicherungsnummer).
Nicht geheim sind auch solche Tatsachen, die bereits anderweit einer Veröffentlichung unterliegen. So z.B. der Achillessehneriss eines bekannten Fußballers auf dem Platz oder beim Training, der nun für mehrere Wochen oder Monate seiner Profession nicht mehr nachkommen kann, was bereits in den Massenmedien veröffentlicht worden ist.
Allerdings: Einzelheiten der Behandlung und Diagnose unterliegen dann wiederum der Schweigepflicht!
Nach § 203 Abs. 1, Ziff. 1 unterliegen der Schweigepflicht, neben anderen, auch Zahnärzte und Ärzte. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass der Verpflichtete eine staatlich geregelte Ausbildung genossen hat, was bei Zahnärzten und Ärzten jedenfalls der Fall ist – ganz im Gegensatz z.B. zu Heilpraktikern, deren Ausbildung gerade nicht staatlich geregelt wurde (geregelt ist nur die staatliche Prüfung) -.
Die Geheimnisse müssen dem Verpflichteten anvertraut worden sein, was bei zahnärztlichen und ärztlichen Patienten regelmäßig der Fall sein dürfte, die den Zahnarzt oder Arzt aufsuchen, um ihm über ihre Befindlichkeiten zu berichten. Darüber hinaus wurden dem verpflichteten Zahnarzt oder Arzt gegebenenfalls Tatsachen bekannt im Zuge der Anamnese und der Durchführung weiterer diagnostischer Maßnahmen oder durch die Information sonstiger Verpflichteter. Auch diese Tatsachen gelten als anvertraut.
In wenigen Ausnahmefällen ist die Offenbarung der dem Verpflichteten anvertrauten Geheimnisse zulässig. Es handelt sich jeweils dabei um Situationen,
– in denen der Verpflichtete selbst größte Nachteile erleiden würde, wenn er weiterhin schweigen würde,
– der Berechtigte ihn ausdrücklich entbindet,
– oder der Verpflichtete aus sonstigen Gründen zur Offenbarung verpflichtet ist.
Sollte etwa ein Patient die ihm vom Zahnarzt oder Arzt berechneten Honorare (Privatpatienten) oder Honorarteile (Zuzahlungen der Kassenpatienten im zahnärztlichen Bereich) nicht begleichen, so muss der Zahnarzt oder Arzt in der Lage sein, seine berechtigten Zahlungsansprüche durchzusetzen, ohne sich einer Schweigepflicht-verletzung schuldig zu machen.
Die gesetzlichen Regelungen zu Prozessführung der ZPO verpflichten den Zahnarzt oder Arzt die Grundlagen seiner Ansprüche substantiiert darzulegen und zu beweisen. Dazu ist erforderlich, dass der Zahnarzt oder Arzt die Geheimnisse, die ihm vom Patienten anvertraut worden sind, dezidiert darlegen muss, hinsichtlich Ort der Behandlung, Zeit der Behandlung und Inhalt des Behandlungsvertrages und hinsichtlich der Behandlungs- oder Diagnostikhandlungen im Einzelnen nebst Diagnostikergebnissen.
Zur Erfüllung dieser Pflicht muss der Zahnarzt oder Arzt folglich die Privatgeheimnisse des zahlungssäumigen Patienten etwa einem Rechtsanwalt, den er sich zur Durchsetzung seiner Ansprüche bedient, und/oder den Gerichten gegenüber offenbaren, weil er, falls ihm dies untersagt wäre, seine Ansprüche nicht in der Lage wäre, durchzusetzen.
Geregelt wird dies im strafrechtlichen Bereich über den sogenannten rechtfertigenden Notstand. Die Offenbarungen des Zahnarztes gegenüber den Vorgenannten werden folglich systematisch als tatbestandlicher Schweigepflichtverstoß angesehen, sind allerdings damit als rechtfertigender Notstand gerechtfertigt.
Der Zahnarzt ist folglich in den Fällen straffrei, wenn er Privatgeheimnisse des zahlungssäumigen Patienten offenbart.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Patient den verpflichteten Zahnarzt von dessen Schweigeverpflichtung entbindet, etwa, wenn die Entbindung zur weiteren Abwicklung der Rechnungsstellung durch den Zahnarzt oder Arzt erforderlich ist.
Die Einwilligung kann grundsätzlich in jeder Form erteilt werden, also auch in Schriftform, indem der Patient ein Schriftstück unterzeichnetet, in dessen Rahmen er die Einwilligung erklärt. Teilweise sehen die Berufsordnungen der Zahnärztekammern oder der Ärztekammern der Länder die Schriftform für die Einwilligung eines Patienten vor (vgl. z.B. § 7 Abs. 4 BO für Zahnärzte BW).
Sie kann jedoch auch konkludent erfolgen, etwa, wenn der Zahnarzt oder Arzt den Patienten zur Weiterbehandlung an einen Facharzt überweist und diesem gegenüber naturgemäß auch im vermuteten Einverständnis des Patienten Geheimnisse offenbaren muss.
Grundsätzlich ist ansonsten von einer konkludenten Einwilligung des Patienten abzuraten, da der Arzt oder Zahnarzt gegebenenfalls sodann im Bedarfsfalle Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Erklärung des Patienten hat.
Eine konkludente Einwilligung in die Weitergabe persönlicher Geheimnisse wird nicht bereits mit Abschluss des Behandlungsvertrages erklärt, auch nicht zur Weitergabe der Daten an eine ärztliche oder zahnärztliche Verrechnungsstelle oder Factoringgesellschaft. Dies gilt auch für die Mitteilung der Diagnose an den Arbeitgeber oder den Prüfungsausschuss bei Prüfungsverhinderung.
Im Rahmen der schriftlichen Einwilligung muss vom Einwilligenden konkret erklärt werden, dass er der Weitergabe seiner persönlichen Daten und Informationen auch über seine gesundheitliche Beeinträchtigung zustimmt. Dabei muss auch von ihm erklärt werden, wem gegenüber die Zustimmung Gültigkeit entfalten soll.
Die Einwilligung in Form eines wirksamen Einverständnisses setzt eine bewusste und freiwillige Gestattung der Weitergabe der Daten des Patienten voraus. Dabei muss der Patient die Bedeutung und Tragweite der Erklärung zu überblicken in der Lage sein und er muss durch die Erklärung eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung darüber erlangen, worin er einwilligt. Anzuempfehlen ist folglich, dass die Einwilligungserklärung möglichst verständlich formuliert worden ist und dem Patienten die Gelegenheit gegeben wurde, den Inhalt in Ruhe zur Kenntnis zu nehmen, ggf. im Wartezimmer.
Es ist folglich nicht als ausreichend anzusehen, wenn der Einwilligende ganz allgemein seine Zustimmung zur Offenbarung seiner persönlichen Geheimnisse gegenüber Dritten erklärt.
Abzuraten ist in diesem Zusammenhang, dem Patienten, der bereits auf dem Behand-lungsstuhl liegt, die Einwilligungserklärung vorzulegen, da der Zahnarzt später im Bedarfsfalle Gefahr läuft, dass Gerichte die Wirksamkeit der Erklärung des Patienten bezweifeln, was etwaig negative Rechtsfolgen zeitigt.
Eine Einwilligungserklärung des Patienten findet sich häufig bereits im Rahmen den AGBs der privaten KV. Diese sind jedoch meist nicht wirksam, weil sie den gesetzlichen Anforde-rungen nicht entsprechen (Verstoß gegen die Regelungen zu AGB).
Deshalb sollte der Zahnarzt oder Arzt in dem Falle, in dem eine PKV nähere Auskünfte zu den Diagnosen zur Voraussetzung ihrer Leistungspflicht macht, eine schriftliche Entbin-dungserklärung des Patienten begehren.
Probates Mittel in einem solchen Falle ist aus Sicht eines Arztes oder Zahnarztes, dass dieser dem Patienten seinen Arztbericht, der für die PKV gedacht ist, mitgibt und ihn bittet, diesen selbst an die PKV zu senden.
Im Rahmen der Einwilligung des Patienten zur Weitergabe seiner Daten an eine Abrech-nungs- oder Factoringgesellschaft muss zwingend die jeweilige Gesellschaft namentlich genannt werden, damit der Patient nachvollziehen kann, wem seine Daten weitergegeben werden. Wird der Patient nicht darüber aufgeklärt, an wen genau seine Daten weitergegeben werden, so ist die Einwilligungserklärung im Regelfall unwirksam, weil der Patient sodann keine eigene Entscheidung zu fällen in der Lage ist.
Unwirksam ist eine solche Einwilligungserklärung des Patienten, wenn darin zusätzlich enthalten ist, dass die Daten auch an eine unbenannte Refinanzierungsgesellschaft oder – Bank weitergegeben werden dürfen. Dadurch wird die Einwilligungserklärung zu unbestimmt und damit insgesamt unwirksam.
Hinsichtlich von Zahnlaboren oder Laborgemeinschaften gilt das zu den Facharztkonsultationen oben näher ausgeführte entsprechend. Im Übrigen gilt auch für Zahnlabore und Laborgemeinschaften die Schweigepflicht, weil ihnen persönliche Daten offenbart werden und Zahnlaborbetreiber oder Laborbetreiber eine staatliche Ausbildung genossen haben.
Eine Offenbarung persönlicher Daten von Patienten gegenüber Kreditinstituten – etwa, weil der Zahnarzt oder Arzt finanzierte Anschaffungen tätigen möchte – sind ohne die Einwilligung des Patienten ausgeschlossen. Meist ist die Offenbarung in einem solchen Falle aber auch nicht notwendig, da es Finanzierungsinstituten zur Beurteilung der Bonität nur auf die Einnahme- und Ausgabesituation des Zahnarztes oder Arztes ankommt.
a. Offenbarungspflichten ergeben sich für Ärzte insbesondere nach Vorschriften, wie dem Infektionsschutzgesetz (§ 8 zur Meldung verpflichtete Person) oder dem Transplantationsgesetz.
b. Offenbarungsbefugnisse ergeben sich für Ärzte und auch für Zahnärzte nach den Regelungen über die gesetzlichen Krankenversicherungen nach dem SGB VII (§§ 202, 203, Unfallversicherung) oder SGB X (§ 100 gesetzliche KV)
c. Praxisdurchsuchung durch die StA – Offenbarungsbefugnisse des Verpflichteten
Zur Verteidigung bei Beschuldigungen gegen den Zahnarzt oder Arzt im Strafprozess wird die Übermittlung von persönlichen Daten der Patienten landläufig als gerechtfertigt angesehen. Gleiches gilt für Stellungnahmen im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft.
Finden Ermittlungen gegen Dritte statt, so unterliegen die persönlichen Daten des Patienten der Schweigeverpflichtung des Zahnarztes oder Arztes, so dass ohne Einwilligung des Patienten sich eine Weitergabe verbietet.
Gleiches gilt für steuerliche Betriebsprüfungen: Falls ein Betriebsprüfer der Finanzverwaltung während der angeordneten Betriebsprüfung einzelne Patientendaten übermittelt bekommen will, so hat der Zahnarzt ihn auf seine Schweigepflicht zu verweisen und die Übermittlung abzulehnen. Der Zahnarzt oder Arzt ist jedoch auf Grund seiner sich aus der Abgabenordnung ergebenden Mitwirkungsverpflichtung verpflichtet, sämtliche sonstigen steuerlich relevanten Daten an den Betriebsprüfer zu übermitteln, deren Übermittlung dieser erbittet. Dabei kann es sich jedoch ausschließlich um die zu Grunde liegenden Buchungspositionen handeln.
Falls der Zahnarzt unbefugt persönliche Geheimnisse seiner Patienten weitergibt, kann er nach erforderlichem Strafantrag des Betroffenen mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.
Vertragliche Vereinbarungen, wie etwa Abtretung der Honorarforderung des Zahnarztes an eine Factoringgesellschaft und die zu Grunde liegenden Forderungskaufverträge sind gemäß § 134 BGB nichtig.
Die Factoringgesellschaft, die die Honorarforderung des Zahnarztes angekauft und finanziert hat, kann nachträglich Rückzahlung des finanzierten Betrages vom Zahnarzt oder Arzt begehren, weil die Geschäftsgrundlage für den Ankauf der Forderung weggefallen ist, spätestens aus ungerechtfertigter Bereicherung.
Jedenfalls, auch, wenn ein Strafantrag von dem Betroffenen nicht gestellt worden ist, kann die Zahnärztekammer oder Ärztekammer, falls sie Kenntnis von dem Schweige-pflichtverstoß des Zahnarztes oder Arztes erlangt, nach der Berufs- und Disziplinarordnung der Zahnärzte oder Ärzte ein Disziplinarverfahren gegen den Zahnarzt oder Arzt einleiten und führen, welches ggf. mit einer disziplinarrechtlichen Maßregel endet.
Dabei kommt – je nach Schwere und Ausgestaltung des Verstoßes – regelmäßig eine Rüge oder auch eine Geldstrafe als Sanktion in Betracht.
1. Mitarbeiter des Zahnarztes sind gem. § 203 Abs. 3, Satz 2 StGB dem Verpflichteten gleichgestellt, d.h. auch sie unterliegen in vollem Umfange der Schweigeverpflichtung.
2. Der Zahnarzt oder Arzt ist auf Grundlage der Berufsordnungen der Länder teilweise zur Aufklärung (Vergatterung) seiner Mitarbeiter verpflichtet, wobei ggf. eine schriftliche Dokumentation der Vergatterung stattfinden muss (z.B. § 3 Abs. 2 Berufsordnung für Zahnärzte NRW).
3. Der Zahnarzt oder Arzt kann die Überwachung der Einhaltung der Regeln zur Schweige-pflicht an kenntnisreiche Mitarbeiter delegieren (z.B Praxismanager /-in).
Auch nach dem Ableben des Zahnarztes oder Arztes sind seine Erben in gleicher Form zum Schweigen verpflichtet, wie der Arzt oder Zahnarzt selbst, wobei auch die Erben die o.g. Folgen treffen, falls sie gegen die Schweigeverpflichtung verstoßen (natürlich mit Ausnahme der berufsrechtlichen Ahndung).
Vielfach findet am offenen Empfang bereits eine Befragung des Patienten durch Mitarbeiter /-innen statt, hinsichtlich seiner Beschwerden im Einzelnen, ohne Berücksichtigung, dass andere Patienten sich ebenfalls am Empfang aufhalten, dort teilweise im integrierten Wartebereich sitzen und „mithören“. Das sollte vermieden werden. Auch sollte vermieden werden, dass andere Patienten Gespräche am Empfang aus dem nicht verschlossenen Warteraum mithören können.
Insbesondere bei Kieferorthopäden finden sich häufig größere Behandlungsräume in denen teilweise vier oder fünf Behandlungsstühle nebeneinander aufgestellt sind, auf denen parallel Patienten oder Patientinnen, meist Kinder, behandelt werden.
Jeder Patient ist in der Situation in der Lage die jeweils andere Behandlung des Nachbarpatienten „mitzuhören“ oder zu beobachten, was zu vermeiden ist.
Auch die Unsitte, bei offenen Türen des Behandlungszimmers zu arbeiten, während neue Patienten bereits in den anderen benachbarten Behandlungsräumen warten, bilden typischerweise einen Verstoß gegen die Schweigeverpflichtung des Arztes oder Zahnarztes.
Der Zahnarzt oder Arzt sollte im Zuge von Praxisbesprechungen seine Mitarbeiter anhalten, dass diese sich nicht laut im offenen Wartebereich über Einzelheiten der Behandlung von Patienten unterhalten, so dass andere Patienten mithören können.