27.10.2014

AsylverfahrensbeschleunigungsG und Bauplanungsrecht

Am 16.10.2015 wurde vom Bundesrat die Zustimmung zum „Asylverfahrens­beschleunigungsG“ erteilt, welches umfängliche Regelungen zum Asylverfahren, insbesondere zum Recht der Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, beinhaltet.

Das Gesetz trat nach der Veröffentlichung am 23.10.2015 am 24.10.2015 in Kraft.

Von der Öffentlichkeit gänzlich unbemerkt enthält das Gesetz auch Regelungen zum Bundesbaugesetz und der Baunutzungsverordnung. Diese sollen dazu dienlich sein, den Gemeinden die Möglichkeit der Errichtung von Asylbewerberunterkünften auf dem Gemeindegebiet zu erleichtern.

So wurden dem § 246 BauGB die Absätze 11 bis 17 angefügt, die (sich) bei genauerer Betrachtung als umfassende Ermächtigungen der Bauplanungs- und Bauordnungsbehörden anzusehen sind, um von bestehenden gesetzlichen Regelungen gänzlich abzuweichen.

Denn nach der neuen gesetzlichen Regelung des Art. 6 des Gesetzes, dürfen befristet bis zum 31.12.2019 nicht nur in reinen Wohngebieten, sondern auch in Mischgebieten, in Gewerbegebieten, in Industriegebieten, sogar im Außenbereich Asylunterkünfte in Leichtbauweise, wie Containern, Zelte und sonstige mobile Unterkünfte genehmigt werden, selbst, wenn deren Errichtung die Voraussetzungen des jeweiligen Gebietes nicht erfüllen sollten.

So genannte Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende „sollen“ in der Regel zugelassen werden.

Für bereits bestehende bauliche Anlagen in Industriegebieten oder Gewerbegebieten kann eine Nutzungsänderung hinsichtlich der zukünftigen Nutzung als Aufnahmeeinrichtung, Gemeinschaftsunterkunft oder sonstige Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbegehrende bis zum 31.12.2019 bewilligt werden.

Die Genehmigung ist jeweils auf bis zu drei Jahre zu befristen, sodass eine derartige bauliche Anlage im denkbar ungünstigsten Fall sogar bis zum 31.12.2022 Bestand haben kann.

Die Folgen der Regelung für die Bürger können gravierend sein.

Insbesondere Grundstückseigentümer, aber auch Mieter von Wohnungen könnten nach der gesetzlichen Regelung nicht unerheblichen Belastungen dann ausgesetzt werden, wenn die Gemeinde, welche jeweils die für die Unterbringung von Asylsuchenden zuständige Gebietskörperschaft darstellt, etwa in der jeweiligen Nachbarschaft Zugriff auf Grundstücke hat, die sich zur Errichtung von Unterkünften eignen.

Dieser Zugriff besteht für Gemeinden, wenn es sich um gemeindliche Grundstücke handelt, also Grundstücke, die sich im Eigentum der Gemeinden befinden.

So besteht theoretisch die Möglichkeit für die Gemeinde, einen in einem reinen Wohngebiet sich befindenden Sportplatz oder Spielplatz zu räumen und dort Asylunterkünfte zu genehmigen, wobei sich daraus auch Beeinträchtigungen auf die Wohnnachbarschaft ergeben können.

Dieser Zugriff besteht für Gemeinden (aber) auch, wenn sie einzelne Grundstücke oder Bestandsimmobilen, etwa in einem Gewerbegebiet, anmieten. Auch dieses könnte nicht unerhebliche Auswirkungen auf die gewerbliche Nachbarschaft entfalten.

Denkbar ist, dass die Regelung gegebenenfalls eine nicht mehr hinnehmbare Einschränkung des Grundrechtes der Bürger auf Eigentum nach Artikel 14 Grundgesetz darstellen könnte, wenn die Auswirkungen sich derartig gravierend darstellten, dass sie einer Enteignung gleichkämen.

Auch aus anderen Erwägungen heraus besteht die Möglichkeit, die Regelungen als Eigentumsbeeinträchtigung zu bewerten, etwa, weil der Wert eines nachbarschaftlichen Grundstückes rapide sinkt.

Abgewogen werden dann jedoch die denkbaren Beeinträchtigungen der Bürger gegen den Zwang der Gemeinden die Asylsuchenden unterzubringen.

In diese Abwägung einzubeziehen ist auch die zeitliche Befristung der Regelung, die dazu führt, dass die mögliche Belastung der Bürger in absehbarer Zeit endet.

Eine gerichtliche Überprüfung der Regelungen wird aus diesem Grunde aller Voraussicht nur bedingt erfolgreich erfolgen können.

Für Eilmaßnahmen, wie den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Gemeinden oder Kreise als Bauordnungsbehörden, besteht absehbar kein Grund. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die Gerichte allein wegen des Unterbringungsdruckes der Gemeinden ein überwiegendes Interesse der öffentlichen Hand bejahen werden.

Eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ist nur möglich, nachdem der Rechtsweg voll ausgeschöpft worden ist. So muss der Betroffene gegen die Baugenehmigung zunächst vor den Verwaltungsgerichten klagen, gegebenenfalls über das Oberverwaltungsgericht bis zum Bundesverwaltungsgericht, um den gesamten Rechtsweg auszuschöpfen.

Wenn der Betroffene dann Verfassungsbeschwerde erheben kann, dürfte die Regelung wegen ihrer zeitlichen Befristung bereits ausgelaufen sein.